Bilder und Dinge 2000

NZZ, 24. Mai 2000, von Thomas RIbi

Die Bilder und die Dinge

Bilder und Dinge sind es, die Andreas Rüthi Gemälden zusammentreffen. Schauplatz der Begegnung ist ein Kaminsims. An der Wand lehnen Postkarten, die Meisterwerke europäischer Kunst von Rembrandt bis Chardin über Broodthaers und Lichtenstein bis Nauman zeigen, vor ihnen liegen kleine Gegenstände: ein Lippenstift, ein Spielzeugauto, ein Hündchen, ein Zwetschge. Die Situationen, die der 1956 geborene, in London lebende Schweizer Künstler mit diesem Inventar schafft, sind trickreich wie unscheinbar. Abgesehen von den Rätseln, die sich mit den Paarungen stellen, verbinden sich diese Stillleben unweigerlich mit der Frage nach der spezifischen Qualität von Bildern. Was unterscheidet die Objekte von den Karten (die eigentlich auch Objekte sind)? Was unterscheidet das greifbare Bild von dem nur im Bild präsenten? Und was tut ein Maler, der Postkarten abmalt? In den neuesten Arbeiten, die er in der Galerie Brigitte Weiss in Zürich zeigt, hat Rüthi die Übungsanlage des 1996 begonnenen Zyklus “Still life paintings” erweitert. Sind die Fragen schon schwindelerregend , die sich mit dem Hintereinanderschalten von zwei Formen der Reproduktion stellen (aus dem technisch erzeugten Bild eines Bildes macht Rüthi wieder ein individuelles Bild), entzieht er dem Betrachter den Boden nun ganz. Die Topographie des Raums beginnt sich aufzulösen, der Kaminsims wird zum scheinbar unbegrenzten Bildraum. Dazu passt, dass in den zitierten Meisterwerken da ein Hintergrund verändert, da ein Streifen unterschlagen wird. Was bleibt – und das ist nicht der geringste Reiz von Rüthis Arbeiten –, ist die elegante virtuose Art, in der die “grosse Malerei” andeutend repäsentiert wird.

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