Bilder von Bildern im Bild 1998

Jasper Johns (target) dog 30 x 40 cm, Oil on Board, Private Collection, Zürich

Andreas Rüthi “Still Life Paintings”

NZZ, 21.4.1998, von Thomas Ribi

Ob in einer kostbaren Sammelmappe oder im preiswerten Taschenbuch: Die grossen Meisterwerke der Malerei sind in erster Linie aus Reproduktionen bekannt und in vielen Fällen haben sich diese gleichsam vor das Original geschoben – wie oft weiss man nicht mehr so genau, ob man ein Werk aus eigener Anschauung oder bloss vermittelt kennt. Einem zentralen, aber nie seiner Bedeutung entsprechend gewürdigten Medium des Kunstbetriebes hat sich der in London lebende Zürcher Maler Andreas Ruthi (geb. 1956) in seiner jüngsten Arbeit angenommen: der Kunstkarte. Sie steht im Mittelpunkt der kleinformatigen Ölbilder seines seit 1996 entstehenden Zyklus “Still Life Paintings”, aus dem die Galerie Brigitte Weiss in Zürich ein Auswahl zeigt. Auf einem Kaminsims, neben kleinen Alltagsgegenständen – Spielzeugfiguren, Modellautos, Kaffeetassen oder Lippenstiften _ , präsentieren sich die auf Einheitsformat gezwängten Poussins, Renoirs und Mondrians in einem Kontext, wie er sich den als Souvenirs mitgebrachten Karten in manchem Haushalt bietet. Das Spiel um Bild und Abbild, Medium und Wahrnehmung, das Rüthi mit ihnen treibt, ist so subtil wie doppelbödig.

Über den Witz der BIld-Objekt-Paarung hinaus, etwa des putzig-erstaunten Plastikhündchens vor Japer Johns’ “Target” – stellt Rüthi mit seinen in niedlicher Harmlosigkeit posierenden Postkarten die Fragen nach dem Wesen seines Bildgegenstandes. Indem er technisch erzeugte Bilder von Bildern zu Motiv seiner Bilder macht, stellt er zwei Formen der Reproduktion nebeneinander, oder besser: schaltet sie nacheinander. Er malt das Kunstwerk nach dem anonymen Massenartikel und gibt ihm so seine Materialität– und damit vielleicht auch etwas von seiner durch die technische Reproduktion verlorenen Aura – zurück. Er führt die ihrem Medium entfremdete Malerei wieder zu sich und rettet das Werk gleichsam für sie. Die Nonchalance, mit der er das tut und so ganz nebenhin zeigt, wie elegant er einen Matisse, einen Morandi oder einen trotz dem Kleinstformat wunderbar körperlicher Caravaggio malen kann, mag die Hintergründigkeit seines Werkes bisweilen vergessen lassen. Lässt man sich aber auf sie ein, dürften die Gemälde des nicht mit Karten, sondern nur mit Objekten besetzten Kaminsimses zu eigentlichen Ruhepunkten im Spiel mit Bildern von Bildern im Bild werden. Auch ihrer trügerischen Einfachheit wird man sich nicht entziehen können.

Zürich, Galerie Brigitte Weiss bis 9.Mai. Im Projektraum “Milch” in London ist bis am 20.Mai die Gemeinschaftsausstellung “Wish You Were Here” von Andreas Ruthi, Caro Niederer und Bruno Müller-Meyer zu sehen.

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